Zuerst war die Leibpädagogik
Die gymnastische Einflussnahme auf psychotherapeutische Verfahren nahm ihren Anfang bereits vor 100 Jahren während der reformpädagogischen Zeit der Gymnastik- und Tanzbewegung. Es waren Erscheinungsformen der Gymnastik mit dem Anspruch, als bewusst erlebbare Körper- und Bewegungsbildung die Gesundheit zu fördern und zu erhalten sowie Persönlichkeitsentfaltung und Sozialisation zu unterstützen, die von einem ganzheitlichen Menschenbild geleitet waren.
Mehrere Richtungen der Gymnastik verstanden damals den menschlichen Körper nicht nur als funktionales und strukturgebendes Organsystem, sondern auch als beseelten Körper, als Leib, der Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle speichern, erinnern und in seiner Haltung und in seinem Atem- und Bewegungsverhalten ausdrücken kann. «(…) der Körper ist die erste Erfahrungswelt des Menschen und Bewegung das Medium, sich diese Welt zu erschliessen.»
Die körperbasierte Achtsamkeit und Präsenz, Selbstwahrnehmung und -erfahrung waren Wege und Ziele zugleich, Menschen dabei zu helfen, ihre körperlichen, emotionalen und mentalen Befindlichkeiten zu erkennen, zu ordnen und gegebenenfalls zu verändern.Eine der prägendsten Wegbereiterinnen dieser Leibpädagogik war die Gymnastiklehrerin Elsa Gindler (1885–1961). Im Zentrum ihrer Arbeit stand der Mensch als Ganzes in all seinen Beziehungsmöglichkeiten zu sich, seinem Körper, seinem Leben und zu seiner Umwelt.

Körperliches Probieren und Erfahren
Gindler sah ihre Aufgabe darin, an der Wahrnehmung des persönlichen Zustands und den individuellen Entfaltungskräften zu arbeiten mit dem Ziel, den Lebensalltag mit seinen funktionellen Bedingungen und gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen im Einklang mit dem eigenen Verhalten gestalten zu können. «Wahrnehmen, was wir empfinden», «still werden», «wach sein», «erfahrbereit», «reagierbereit» und «zulassen, dass sich was ändert» sind oft zitierte Aussagen von ihr, die die Voraussetzung für eine selbstständige Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und für ein zweckmässiges (Bewegungs-)Verhalten widerspiegeln.

Über körperliches Probieren und Erfahren wollte die Gymnastiklehrerin unter Berücksichtigung der organischen Gesetzmässigkeit Selbstaufmerksamkeit und eine verbesserte Propriozeption sowie Regulierung des Muskeltonus erzielen, um innere Kräfte wie Berührbarkeit, Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit zu stärken. Das sind Kompetenzen, die man heute unter dem Begriff Resilienz kennt.

An Gindlers Arbeitsgemeinschaften nahmen neben Professionen der Gymnastik, der Musikpädagogik und der Tanzpädagogik auch Psychoanalytiker und -therapeuten wie Otto Feinichel, Wilhelm Reich, Ruth Cohn und Fritz Perls teil. Sie alle profitierten nachhaltig von ihrer Arbeit des bewussten Sich-Erspürens durch Bewegung und Körperwahrnehmung für sich persönlich und für die Beziehung zu ihren Patienten.
Dieses somatische Lernen bildete eine Basis, tiefenpsychologische und psychoanalytische Therapieverfahren durch Bewegungsarbeit zu erweitern und sie zur Diagnose und Behandlung von psychischen Erkrankungen zu nutzen. Daraus sind etliche Konzepte mit verschiedenen Methoden und Wirkprinzipien unter dem Oberbegriff «Körperorientierte Psychotherapie» beziehungsweise «Körperpsychotherapie (KPT)» entstanden, die lange Zeit wenig beachtet wurden, aber seit 20 Jahren an Relevanz und Akzeptanz gewinnen.

Über den Körper die Seele heilen
Als Begründer der KPT gilt der Psychoanalytiker Wilhelm Reich. Ihm genügte das verbale Dialog-Verfahren nach Sigmund Freud, dessen Schüler er war, nicht mehr, und er setzte Körperarbeit ein, um unbewusste psychische Prozesse zu entschlüsseln. Seine Annahme, über den Körper die Seele heilen zu können, veranlasste ihn zu verschiedenen Interventionen, um einerseits Gefühle zu aktivieren, Handlungsmuster aus dem Körpergedächtnis bewusst zu machen und somit den Fluss von körperlichen und seelischen Lebensenergien zu harmonisieren.
Andererseits waren Gefühle für ihn körperliche Vorgänge, die sich zum Beispiel bei Unterdrückung aufstauen und sich durch chronische Muskelverspannungen und gestörten Atemrhythmus physisch äussern. Demnach nutzte Reich die Körperarbeit für zwei Wirkprinzipien: das analytisch-dialogische Prinzip der Körpersprache (Bewegungs- und Haltungsausdruck, Muskeltonus, Gestik, Mimik, Blickverhalten) und das funktionell ordnende Prinzip der Vitalenergien (muskuläre Aktivierung und Entspannung, Beweglichkeit, vegetative Steuerung der Atem- und Herzfrequenz). Damit erreichte er unter anderem ein unmittelbares emotionales Erleben seiner Patienten, was dem weiteren Therapievorgehen und der Therapeutenhaltung dienlich war.
Die Weiterentwicklung der KPT brachte eine Vielzahl von Arbeitsweisen hervor, die auch Ansätzen der Humanistischen Psychologie und des Human Potential Movement folgten und damit die Therapieziele um die Förderung psychosozialer Ressourcen und individueller Potenziale zur Selbstverwirklichung erweiterten. Allerdings bahnten sich hierbei Richtungen ihren Weg, deren Methoden und Wirkweisen mit denen der analytischen KPT nicht unbedingt vereinbar waren.

Erkenntnisse aus der Hirnforschung
Inzwischen können neurowissenschaftliche Erkenntnisse aus der Hirnforschung und der Mind-Body-Medizin die Grundannahmen der KPT von der untrennbaren Körper-Geist-Seele-Einheit, von den damit einhergehenden psychosomatischen und somatopsychischen Wechselbeziehungen und dem verkörperten Unbewussten untermauern. Auch die therapeutischen Wirkweisen lassen sich mit nachweisbaren neurobiochemischen Reaktionen durch Ausschüttung von Botenstoffen auf aktivierte Emotionen erklären. Ebenso kann die auf empirische Weise entwickelte anleitende und begleitende Methodik der sensomotorischen Stimulierung, Initiierung und Inszenierung im therapeutischen Prozess durch Erkenntnisse der modernen Embodimentforschung bestätigt werden. Doch bei allen wissenschaftlichen Erklärungen und aller Methodenvielfalt arbeitet die KPT vor allem mit dem subjektiven Körpererleben ihrer Patienten. Anwendung finden KPT-Verfahren bei allen endogenen und exogenen psychischen Störungs- und psychosomatischen Krankheitsbildern.

Psychotherapeutische Körperarbeit in Kliniken
In psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken haben sich drei bewegungszentrierte KPT-Verfahren etabliert:

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Darüber hinaus macht die KBT-Praxis konfliktbehaftete oder sich polarisierende Lebensthemen zu Therapieschwerpunkten. Was zum Beispiel «Geben und Nehmen» oder «Halten und Loslassen» im sozialen Kontext bedeutet, kann über muskuläre Tonusqualitäten erfahrbar werden: Wie viel Kraft brauchen die Handmuskeln, um einen Gegenstand festzuhalten oder sich an einem Gegenstand festzuhalten? Wie fühlt sich der Rücken an, wenn er sich aus eigener Kraft selbst aufrecht hält; wie fühlt es sich an, wenn der Rücken sein Gewicht abgeben darf und getragen wird, indem er sich anlehnt oder hinlegt? Ist Geben leichter als Nehmen? Warum fällt es schwer, Hilfe anzunehmen? Im Gespräch zwischen Patient und Therapeut werden die körperlich erinnerten Emotionen und die zum Ausdruck gebrachten Bedeutungserklärungen analysiert. Dabei kann eine bildhafte, lebens- und alltagsbezogene Sprache die Kommunikation verbessern und für die Sinngebung im weiteren Therapieprozess hilfreich sein. Es werden gern nach Gindlers Methode substantivierte Verben benutzt, um sozusagen von einer verbalisierten Körpersprache eine Bedeutung auf Alltagsverhalten übertragen zu können, zum Beispiel: sicheres Stehen – sich im Stande fühlen, Aufgaben zu erfüllen; angenehmes Liegen – sich in guter Lage befinden; mit Gehen beginnen – in Gang kommen (Gräff 1989).

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Die Tanztherapie wurzelt ebenfalls in der Reformbewegung der Gymnastik und des Tanzes. Sie entwickelte sich aus dem Ausdruckstanz, wie ihn erstmals Isadora Duncan und wenige Jahre später Mary Wigman vertraten. Der Ausdruckstanz verzichtet auf festgelegte Tanzschritte und Choreographien, wie das im klassischen Ballett vorgegeben ist. Dafür betont er den Ausdruck des inneren Erlebens durch spontane Impulse und intuitive Bewegungsfolgen. Die ersten tanztherapeutischen Methoden gingen in den 1940er Jahren von den Ausdruckstänzerinnen Trudi Schoop, Marian Chace und Liljan Espenak sowie dem Begründer der Bewegungsanalyse Rudolf von Laban aus.

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Die Funktionelle Entspannung (FE) wird als ein dialogisches, psychodynamisches KPT-Verfahren definiert. Sie ist ein weiteres leibpädagogisches Erbe und wurde von Marianne Fuchs (1908–2010) begründet, die ihre Ausbildung zur Gymnastiklehrerin an der Dorothee-Günther-Schule in München absolvierte. «Diese Schule legte Wert auf eine Körperbildung unter den Prinzipien innerer Beteiligung, Befreiung echter Antriebe und damit unter dem Einfachen und Natürlichen des Sichbewegens, also Grundlagen auch für die Arbeit an Gestörten und Schwachen, (…).» (Fuchs 1989) Ihre Lehrer waren unter anderen Thekla Malmberg, die das Gymnastiksystem nach Mensendieck lehrte, und Carl Orff, der Musik und Rhythmik unterrichtete. Zur Ergänzung ihrer Ausbildung besuchte Fuchs Ferienkurse in Atem- Stimm- und Sprechtechnik der Atemschule Schlaffhorst-Andersen. Nach dem Examen arbeitete sie in eigener Praxis und als freie Mitarbeiterin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Marburg, wo sie Einblick in psychodynamische und psychosomatische Krankheitszusammenhänge gewann.

Entscheidende Ansätze für ihre Methode ergaben sich um 1936, als sie den durch eine spastische Bronchitis gestörten Atemrhythmus bei ihrem damals einjährigen Kind durch mitfühlende Zuwendung positiv beeinflussen konnte. Die behutsam aufgelegte Hand der Mutter auf den Brustkorb des Kindes erleichterte sein Hergeben von Atemluft und somit das Abhusten von Sekret. Gleichzeitig unterstützte sie seinen Ausatem, indem sie selbst deutlich tönend «puh» ausatmete. Dieses Wahrnehmen und Mitempfinden der Mutter verinnerlichte das Kind und lernte allmählich, sein Atemverhalten sensomotorisch zu verstehen; für ein kognitives Verstehen war das Kind noch viel zu klein. Es spürte, wenn sich eine anfallsartige Atembedrängnis anzeigte und stellte sich darauf ein, indem es immer etwas besser die Abwehrspannung im Brustkorb loslassen und durch «Puhsagen» die Luft im Ausatem hergeben konnte. Mit der Zeit normalisierten sich der Atem- und auch der Schlaf-Wach-Rhythmus des inzwischen zweijährigen Kindes. Für Fuchs war der Erfolg dieses präverbalen leiblichen Dialogs zwischen ihr und ihrem Kind die Schlüsselerkenntnis, dass sich über behutsam dosierte Ansprache und Berührung, wahrnehmendes Körperempfinden und einen rhythmisierten Atem eine organismische Entspannung anbahnen lässt, um gestörte vegetativ gesteuerte Organfunktionen korrigieren zu können. Für die Weiterentwicklung ihrer Methode fand sie in Heidelberg, wo sie inzwischen mit ihrer Familie lebte, Bestätigung durch eine Psychotherapeutin und eine Lungenfachärztin und ab 1946 Unterstützung durch den Mediziner Richard Siebeck, bei dem sie an der Universitätsklinik Heidelberg arbeitete, sowie durch Viktor von Weizsäcker, dem Begründer der anthropologischen Medizin und einem der Väter der deutschen psychosomatischen Medizin (Fuchs 1989).

Die Kerninhalte der FE sind die Selbstwahrnehmung und das Erspüren von Körper- und Atemreaktionen durch kleine Gelenkbewegungen, Körperlageveränderungen und bewusstes (Aus-)Atmen sowie die tiefenpsychologisch orientierte, sensibel mitfühlende Haltung des Therapeuten durch Beobachten, Hinhören, Anleiten, Berühren, Kontrolle und Fragen. «Die FE ist eine unterrichtende Behandlung [und] beinhaltet eine Pädagogik, die nicht zwingt, nicht vorschreibt oder vormacht, sondern selbst finden lässt, die nicht ‹Richtiges› andressiert oder vorschnell harmonisiert, sondern Anstösse gibt, Angebote macht, damit der Patient wahrnehmungsfähiger für sich wird.» (Fuchs 1989) Die Ziele sollen daher in einem Lernprozess erreicht werden und nachhaltig wirken. Es braucht Zeit und Geduld, bis der Patient Zugang zu sich selbst findet, um seine eigene Leiblichkeit erleben und seine Ressourcen und Möglichkeiten der Selbstheilung nutzen zu können. Eine FE-Behandlung beginnt mit einem Gespräch, bei dem das Befinden des Patienten im Hier und Jetzt von therapeutischem Interesse ist und nicht der medizinische Befund. Die Schilderungen und das Atemverhalten geben dem Therapeuten erste Hinweise, wo Energien fehlgeleitet oder gestaut sind, welche Organfunktionen aus ihrem Bio-Rhythmus geraten und damit ihr psychosomatisches Gleichgewicht verloren haben. Erst dann folgt das Entspannen durch den zu bestimmten Körperbereichen gelenkten Atem und das bewusst sanfte Ausatmen, ganz ohne Druck von aussen oder innen. Die Übung wird nur zwei- bis dreimal wiederholt, um eine Tiefenentspannung zu vermeiden. Der betonte Ausatem veranlasst das parasympathische Nervensystem, die vegetativen Fehl- und Überreaktionen zu beruhigen. Der Patient kann diesen ordnenden Vorgang im anschliessenden Nachspüren als Druckentlastung oder Spannungslösung wahrnehmen. In kleinen Schritten kommt es zu einem Verstehungsprozess für das durch Entgleisung des organischen Gleichgewichts entstandene Beschwerdebild und folglich auch für eine Verhaltensänderung, die verfestigten Beschwerdebilder aufzubrechen, Entlastung anzunehmen und sich vom wieder gefundenen Eigenrhythmus tragen und bewegen zu lassen (Fuchs 1989).

Die FE findet Anwendung bei psychosomatischen, psychotischen sowie somatoformen Störungen und Erkrankungen wie beispielsweise Burnout, Depression, Asthma bronchiale, Reizdarmsyndrom, essentieller Bluthochdruck, Fibromyalgie, Schlafstörungen, Angst- und Unruhezustände. Die Salutogenese und die Prävention, zum Beispiel Betriebliche Gesundheitsförderung und Stressmanagement, sind weitere Anwendungsbereiche.[1]

[1] Quelle: Arbeitsgemeinschaft Funktionelle Entspannung Deutschland: https://afe-deutschland.de (Zugriff am 17. März 2021).

Weitere gymnastikaffine KPT-Konzepte in freier Praxis

Die folgenden Methoden stehen beispielhaft für neue KPT-Konzepte, die auf modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus mehreren Fachbereichen beruhen und nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv und salutogen angelegt sind. Was sie voneinander unterscheidet, sind die auf die jeweiligen Therapieschwerpunkte bezogenen Bewegungsformen. Was sie miteinander gemeinsam haben, ist der achtsamkeitsbasierte somatische Lernweg und somit die Einbeziehung bewegungspädagogischer Methoden. Mit der von allen KPT-Verfahren formulierten Relevanz der therapeutischen Haltung durch Selbstreflexion und Selbsthygiene schliesst sich wieder der Kreis zur Leibpädagogik: «Generationen von Gymnastiklehrerinnen haben während ihrer Ausbildung erst einmal an sich selbst erspüren und erfahren müssen, was sie wahrnehmen und empfinden, was sie bewegt und was sich in ihnen bewegt, wenn sie sich bewegen.» (Kopelsky 2014)      

«Körper und Psyche in Balance» heisst das Konzept der Schweizer Gymnastiklehrerin Daniela Michel-Gremaud und ist ein aktuelles Beispiel dafür, «wie Körperarbeit die psychische Verfassung beziehungsweise wie die emotionale Verfassung den Körperausdruck beeinflusst.» Es ist kein therapeutisches, sondern ein pädagogisches Konzept, das Bewegungs- und Verhaltenspraktiken anbietet, mit denen sich das komplexe Zusammenspiel psychosomatischer Kräfte für das Wohlbefinden  und die Gesundheit der Körper-Geist-Seele-Einheit zunutze machen lässt. Das zentrale Anliegen ist, Wege aufzuzeigen, differenzierte Fähigkeiten der Selbstwahrnehmung und Selbstbestimmung zu entwickeln, um eigene Denk-, Verhaltens- und Handlungsmuster sowie damit verbundene Körperempfindungen besser verstehen zu lernen und bei psychophysischen Dysbalancen oder Stressbelastungen einen individuell stimmigen Ausgleich zu finden. Die Herangehensweise wird auf der physischen Ebene durch eine erspürende und wahrnehmende Bewegungs- und Empfindungsarbeit – eben typisch gymnastisch – geleitet und auf der psychischen Ebene auf der Verhaltensverarbeitung der Transaktionsanalyse nach dem kanadischen Psychiater und Psychotherapeuten Eric Berne. Glücklicherweise hat die Begründerin dieser «psycho-gymnastischen» Körperarbeit ihr Konzept veröffentlicht und anhand von zwölf Alltags- und Lebensthemen praxisbezogen und autodidaktisch orientiert dargestellt (Michel-Gremaud / Sommerhalder 2016).

  • Die Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) ermöglicht, mithilfe des Körpers Gefühle bewusst wahrzunehmen, zu benennen und zu unterscheiden. Sie kann emotionale Ressourcen erkenn- und nutzbar machen und damit die psychophysische Homöostase wieder herstellen, erhalten und fördern. Wie von den psychologischen Psychotherapeuten Gernot Hauke und Mirta Dall’Occhio beschrieben, finden besonders Menschen mit hohen Stressbelastungen und psychischen Erkrankungen so Zugang zu ihren Gefühlen und Handlungsreaktionen und lernen dabei, eigene Körperbotschaften kognitiv zu verstehen und verbal zu äussern. Sie lernen auch, Gefühle zu akzeptieren und wieder zuzulassen, die sie sich innerhalb ihrer persönlichen emotionalen Überlebensstrategie verboten haben. Sie bauen Vertrauen in ihr Bauchgefühl auf, das schneller als der Verstand einzuschätzen vermag, was gut oder schlecht für sie ist. Noch bevor das Bewusstsein ein Gefühl erkennt und bewerten kann, ist im Körper bereits ein neurobiochemischer Prozess in Gang, der erste physische Reaktionen auslöst und diese mit Veränderung der Körperhaltung, Bewegung, Mimik, Gestik, Stimme und Atmung ausdrückt. An diesen präverbal verkörperten Emotions- und Reaktionsketten setzt die EAT an und aktiviert mit Embodiment-Übungen Emotionen und Reaktionen, anhand derer Patienten eine Steuerbarkeit ihrer Gefühle erfahren und den kognitiv-behavioralen Umgang erlernen können. Die Methode stützt sich auf Erkenntnisse der modernen Achtsamkeits- und Embodimentforschung sowie auf Grundlagen der traditionellen Emotionspsychologie. Weil alle Gefühle wichtige Funktionen haben, verzichtet die EAT auf die Einteilung in positive und negative Gefühle. Es gilt ihre Botschaften zu entschlüsseln und zielführend zu nutzen. Anhand der aktivierten Emotionen wird für den Patienten ein differenziertes Bild seiner Problematik gezeichnet. Dabei entsteht das patienteneigene «Emotionale Feld», in dem das Erlebte verarbeitet werden kann (Hauke / Dall’Occhio 2015).
  • Yoga als geistig-körperliche Übungsdisziplin zeigt Wege, bewusst mit Körper, Gedanken und Gefühlen umzugehen, Veränderungen einzugehen, regenerierende Kräfte zu erkennen, energieregulierende Strategien zu entwickeln und sich vor traumatisierenden Folgen von Stress zu schützen. Unter diesen Zielvorstellungen haben die Gymnastik- und Yogalehrerin Christiane Wolff und die Psychologin Annabelle Starck eine indikationsbezogene Yoga-Praxis begründet, die bei inneren Krisen hilft und den Heilungsprozess bei psychischen Beschwerdebildern wie Depression, Angststörungen, Burnout und Trauma-Belastungen unterstützen kann. Das Konzept basiert auf dem psychodynamischen Modell der westlichen Psychologie und dem Heilkonzept des Ayurveda, der indischen «Lehre vom Leben». Die Zusammenstellung der Yoga-Übungen richtet sich nach dem jeweiligen Beschwerdebild. Bei Angststörungen zum Beispiel wird eine von Atemübungen in Verbindung mit meditativen Bewegungen geleitete Übungssequenz angeboten. Besonders die betonte Ausatmung kann über den Parasympathikus den physischen und psychischen hohen Erregungszustand senken. Die Kombination mit Bewegungen lenkt die Konzentration auf den Übungsablauf und von angst- und panikauslösenden Gedanken weg. Die psychotherapeutische Wirksamkeit einer guten Yoga-Praxis wird durch eine pädagogisch geschickte Unterrichtsgestaltung und Übungsanleitung, eine einfühlsame Sprache und Stimme der Yoga-Lehrenden sowie eine durch Ruhe und Stille geprägte Atmosphäre in Raum und Zeit gefördert. Schritt-für-Schritt-Anleitungen ermöglichen ein funktionell korrektes Bewegen, was dem Patienten Lern- und Übungssicherheit vermittelt (Wolff / Starck 2018).
  • Die Sinnverstehende Psychomotoriktherapie (PMT) ist eine psychoanalytisch fundierte Therapiemethode für die psychomotorische Arbeit mit Erwachsenen. Geleitet vom Verstehenden Ansatz der Psychomotorik und Motologie nach Jürgen Seewald basiert sie auf Konzepten der Psychomotorik, der Motologie und der Körperpsychotherapie. Dieses noch junge KPT-Verfahren wird erstmals beschrieben von Dr. Benajir Wolf, Diplom-Sportlehrerin, Diplom-Motologin und Körperpsychotherapeutin (DGK / EABP), die sich mit der Methode im Studiengang Motologie an der Universität Marburg wissenschaftlich befasst.

Die PMT bemüht sich um Sinnfindung der Symptome und Therapiewege. Mittels Bewegung initiiert sie einen Verstehensprozess, um das Aufdecken unbewusster Konflikte zu erzielen. Der Körper soll das aussprechen, was das Bewusstsein nicht verbalisieren kann. Der Therapeut muss sich in diese körperinnere Thematisierung des Patienten «einverleiben» können, sodass Patient und Therapeut ein «therapeutisches Paar» bilden können, dem es gemeinsam möglich werden kann, die sich auftuenden Störungsbilder aufzuschlüsseln. Das schrittweise Verstehen der Symptome und die daraus folgenden Verhaltensreaktionen nähren das Sinnverstehen der Therapie und können dadurch heilsam wirken. Die sinnverstehende PMT bietet weder ein festgelegtes Programm noch leitet sie Übungen an, sondern arbeitet mit dem Bewegungspotenzial, das zu Beginn einer Therapiestunde vom Patienten inszeniert wird. Die therapeutische Beziehung beziehungsweise Haltung spielt dabei die wichtigste Rolle, trägt wie keine andere Komponente entscheidend zum Therapieerfolg bei und zeigt, wie fundamental hierfür die persönlichen und professionellen Körpererfahrungen der Therapeuten sind. Die Therapeutenhaltung unterliegt während einer PMT ebenfalls prozesshaften Veränderungen; sie kann verloren gehen, aber auch wieder gefunden werden, was von der Bereitschaft der Therapeuten, sich selbst und das therapeutische Handeln zu reflektieren, abhängt.

  • Qigong in der Psychotherapie bedeutet Arbeit mit Energie, mit der Lebensenergie des Körpers und des Geistes. Aus Sicht der Diplom-Pädagogin, Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Qigong-Praktizierenden Barbara Hofmann-Huber erweist sich Qigong in Verbindung mit Psychotherapie als besonders wirksame Körperarbeit, Selbstwirksamkeit, Selbstregulation und leibliche Autonomie zu fördern und gegebenenfalls zu heilen. Selbstwirksamkeit als stabile und zugleich flexible psychische Struktur erschliesst sich aus der vom Körper bereitgestellten Energie beziehungsweise aus dem nach der Qigong-Philosophie in der Körpermitte verankerten Qi. Qigong-Übungen können mit achtsamen Körperbewegungen den Fluss der Lebensenergie aktivieren und harmonisieren, damit heilsam auf die körperlich-emotional-mentalen Wechselbeziehungen wirken und innere Haltung entwickeln und stabilisieren. Da Qigong eine Säule der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist, leitet sich die Anwendung der Übungen vom Krankheitsverständnis der TCM ab. Qigong als integratives KPT-Verfahren geht mit den Therapieansätzen der westlichen Psychologie und den Wirkprinzipien des Qigong eine Synergie ein, die bei Burnout, Depression und Trauma Stabilisierung und Resilienz fördert. Die Wirkprinzipien verfeinern auch die therapeutische Beziehung und Selbsthygiene der Therapierenden. (Hofmann-Huber 2019)  

Literatur

Becker, Hans: Konzentrative Bewegungstherapie – Integrationsversuch von Körperlichkeit und Handeln in den psychoanalytischen Prozess, 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1989.

Esch, Tobias: Die Neurobiologie des Glücks – Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014.

Fuchs, Marianne: Funktionelle Entspannung – Theorie und Praxis einer organismischen Entspannung über den rhythmisierten Atem, 4. Auflage, Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1989.  

Gräff, Christine: Konzentrative Bewegungstherapie in der Praxis, 2. Auflage, Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1989.  

Hauke, Gernot / Dall’Occhiio, Mirta: Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) – Embodimenttechniken im Emotionalen Feld, Schattauer Verlag, Stuttgart 2015.

Hofmann-Huber, Barbara: Qigong in der Psychotherapie – Selbstwirksamkeit aus der inneren Mitte, Ernst Reinhardt Verlag, München 2019.

Kopelsky, Cornelia M.: Achtsamkeit und Resilienz – in GymNess – Zeitschrift für Gesundheit und Bewegung, Heft 01/2014, Berufsverband für Gesundheit und Bewegung, BGB Schweiz (Hrsg), Gebenstorf.

Kopelsky, Cornelia M.: Embodiment – Körper und Geist im ständigen Dialog, in Praxis der Psychomotorik, Ausgabe 2/2016, verlag modernes lernen, Dortmund.

Michel-Gremaud, Daniela / Sommerhalder, Monika: Körper und Psyche in Balance – 12 Wege zu mehr Wohlbefinden,  Thieme Verlag, Stuttgart 2016. 

Siegel, Elaine V. / Trautmann-Voigt, Sabine: Analytische Bewegungs- und Tanztherapie, Ernst Reinhard Verlag, München 1999.

Wolf, Benajir: Sinnverstehende Psychomotorik mit Erwachsenen, Ernst Reinhard Verlag, München 2019.

Wolff, Christiane / Starck, Annabelle: Heilen mit Yoga – Die Seele stärken bei Burnout, Depression und Ängsten, TRIAS-Verlag, Stuttgart 2018.